Simplicity: Der Trend der Einfachheit
Auf dem Fernsehmonitor ist ein einzelner Damenschuh zu sehen, der vor einem weißen Hintergrund steht. Vom oberen Rand fällt das Etikett mit dem Markennamen ins Bild, während eine Frauenstimme diesen durch die Lautsprecher flüstert.
Fällt Ihnen zu dieser Beschreibung ein Unternehmen ein? Zwei Sätze genügen, um den gesamten Werbeinhalt der Firma Tamaris zu transportieren und Ihnen den Schuhverkäufer ins Gedächtnis zu rufen. Wie dieses Prinzip funktioniert? Mit Simplicity, dem Trend zur Einfachheit, der auf alles Unwesentliche verzichtet. Auch wenn Tamaris ein besonders radikales Beispiel für Simplicity darstellt, ist diese zu einem ganzheitlichen Phänomen geworden und begegnet uns im Alltag nahezu überall. Grund genug, sich die Philosophie genauer anzusehen und mehr über die Vorteile der Einfachheit zu erfahren.

Was ist Simplicity?
Der Ausdruck „Simplicity“ leitet sich vom englischen Wort „simple“ ab und ist somit am ehesten mit dem deutschen Begriff „Einfachheit“ zu umschreiben. Im Gegensatz zur Kompliziertheit setzt sie auf einige wenige Komponenten und Faktoren – wie beispielsweise ein Produkt vor einem weißen Hintergrund ohne Musik oder Audiokommentar –, die zur Gestaltung und Erhaltung von etwas notwendig sind. Definitionen von Simplicity sind in der Regel eher vage, da sich das Konzept auf sämtliche Lebensbereiche beziehen und verschiedene Assoziationen wie Schönheit, Klarheit oder Reinheit wecken kann. Der derzeitige Trend zur Einfachheit wird häufig als Reaktion auf eine Überforderung der Menschen durch ihre Umwelt gedeutet.
Welche Vorteile hat Simplicity?
Umgehung des Choice Overload
Zu viel Auswahl kann Kaufentscheidungen negativ beeinflussen. Auf diese These deutet eine Studie von Iyenger und Lepper aus dem Jahr 2000 hin, die in einem Supermarkt an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen Marmeladen zum Probieren anboten. Während die KundInnen an einem Versuchstag die Wahl zwischen 24 verschiedenen Sorten hatten, reduzierten die Wissenschaftler diese Anzahl am anderen Versuchstag auf 6. Es zeigte sich, dass bei einer größeren Auswahl zwar mehr ProbandInnen bereit waren, die Produkte zu probieren, tatsächlich kauften aber nur 3 Prozent der KundInnen ein Glas Marmelade. Ganze 30 Prozent hingegen waren es bei einem geringeren Angebot und damit einer weniger großen Auswahl.
Dieses Phänomen – also die Überforderung der KundInnen durch die Angst davor, beim Kauf eine Fehlentscheidung zu treffen – wird im Englischen auch als „choice overload“ bezeichnet. Wie im Versuch kann dieses Problem auch in der Realität durch Simplicity umgangen werden, indem das Angebot eines Unternehmens auf einige wenige aber dafür aussagefähige Produkte reduziert wird.

Skalierbarkeit
Doch nicht nur im Produktportfolio, sondern auch beim Corporate Design kann sich Simplicity lohnen. So vereinfachten in den vergangenen Jahren diverse Unternehmen ihre Logos und strichen die Serifen aus ihren Namensschriftzügen. Als Hintergrund für diese Veränderung wird nicht nur ein modernerer Markenauftritt vermutet, der durch den Simplicity-Ansatz ebenfalls erzielt werden kann, sondern auch die bessere Skalierbarkeit von Inhalten für Mobilgeräte, die für Unternehmen immer bedeutender werden. Erinnern Sie sich etwa an den ikonischen Schriftzug der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: dieser würde im 1x1 Iconfeld einer App wohl kaum Platz finden.
Einfache, simple Logos hingegen sind auf Mobilgeräten problemlos zu erkennen und auch die schnörkellosen Schriften lassen sich aus größerer Entfernung noch gut entziffern. Zusätzlich schaffen schlichte Symbole oft einen hohen Wiedererkennungswert und sind einfach zu umschreiben. An welches Unternehmen denken Sie beispielsweise bei den Autos mit dem Stern?
Verbesserung Ihrer Customer Journey
Ein weiterer Vorteil des Simplicity-Trends ist die Orientierung, die er den KäuferInnen bietet. Als Gegenbewegung zu einer komplexen Umwelt, schafft er Raum für einfache Auswahlmöglichkeiten, zwischen denen sich die KundInnen entscheiden können. Während ein Werbespot mit SportlerInnen nicht unbedingt darauf schließen lässt, dass es sich bei dem verkauften Produkt um Schuhe handelt, lässt die oben beschriebene Kampagne der Marke Tamaris keinen Zweifel daran. Auch wecken simple Produktdarstellungen keine falschen Erwartungen bei den KundInnen, die anschließend womöglich enttäuscht werden. Stattdessen wissen die KäuferInnen genau, was sie erwarten können.
Eine Studie des Markenstrategieunternehmens Siegel+Gale, das sich Simplicity als Claim auf die Fahnen schreibt, will 2017 im „Global Brand Simplicity Index“ sogar herausgefunden haben, dass simple Unternehmen nicht nur eine bessere Performance zeigen als komplexere Mitbewerber, sondern KäuferInnen auch bereit sind, mehr für eine einfache Nutzerexperience zu bezahlen.

Simplicity im Home-And-Living-Bereich
Im Bereich der Inneneinrichtung ist Simplicity ebenfalls angekommen und hier insbesondere unter dem Stichwort des Minimalismus bekannt. Es geht dabei um eine möglichst reduzierte Lebensweise, die zur Möblierung nur auf das Wesentliche setzt und größtenteils auf Dekorationen verzichtet. Die Zufriedenheit mit dem was man hat, ist im Minimalismus wichtiger als der Wunsch danach, mehr zu besitzen. Es gibt folglich auch Überschneidungen mit dem Trend des Zen-Living. Simplicity kann darüber hinaus aber auch den Anbau eigenen Obsts oder Gemüses umfassen und somit auf eine gesunde Selbstversorgung bei gleichzeitiger Schonung natürlicher Ressourcen abzielen.
Welche Gefahren birgt Simplicity?
Hinter dem Trend der Simplicity verbergen sich allerdings auch Fallstricke für Unternehmen, die wir Ihnen ebenfalls nicht vorenthalten wollen. So erzeugen zu simple und einheitliche Schriftzüge beispielsweise eine Verwechslungsgefahr zwischen verschiedenen Marken und auch das Logo kann den Kern des Produktes womöglich nicht mehr transportieren. Instagram beispielsweise hat sich nicht nur in der App vom klassischen Polaroid-Format entfernt, sondern auch sein Icon so umgestaltet, dass es nur noch entfernt der entsprechenden Kameratechnik ähnelt.
Insbesondere für Start-Ups und junge Marken sind eher beschreibende anstelle simpler Logos geeignet, wie die Harvard Business Review 2019 herausfand. Von ProbandInnen wurden diese nicht nur als authentischer eingeschätzt, sondern sie steigerten auch die Kaufbereitschaft der Testpersonen.

Gleichermaßen kann der Trend der Einfachheit auch in das andere Extrem des „zu wenig“ umschlagen und dadurch Probleme erzeugen, die zuvor nicht vorhanden waren. So könnten den KundInnen bei zu viel Simplicity auch Informationen fehlen, die sie für Ihre Einschätzung des Produktes benötigen. Es gilt hier deshalb eine gute Mitte zu finden.
Richtig umgesetzt ist der Simplicity-Trend allerdings durchaus ein geeigneter Weg, um Ihr Produkt besser an Ihre KundInnen zu verkaufen. Das kann durch geschickte und eingängige Werbung, ein modernes und skalierbares Unternehmensdesign – auch auf mobilen Endgeräten – sowie ein zufriedenstellendes Produktportfolio und Verkaufskonzept erreicht werden. Anders als andere (Einrichtungs-)Philosophien, zeichnet sich die simple Einfachheit durch ihre Ganzheitlichkeit aus und ist deshalb nicht auf die eigenen vier Wände beschränkt, sondern überall im Alltag einsetzbar.